Lovestory III

»Vielleicht kann ich dir morgen Abend ein wenig beibringen?«, bot sie spontan an. »Zwischen dem Turnier und der Party habt ihr doch sicher noch ein wenig Zeit, oder?«

»Gerne, danke!«, antwortete ich erfreut und fragte Kai: »Und du?« »Mal sehen«, meinte er ausweichend. Na ja, er musste ja nicht wollen. Aber ich hatte wirklich große Lust, kochen zu lernen, und Anna war nicht nur eine charmante Gastgeberin, sondern offensichtlich auch noch ein Naturtalent in der Küche. Das wird mit Sicherheit ein netter Abend, dachte ich und fing an, mich darauf zu freuen.

»Sagt mal, wann geht das Turnier morgen los?«, fragte Anna uns. »Wollt ihr vorher noch etwas frühstücken?«

»Zehn, gerne«, antwortete Kai. Anna runzelte die Stirn.

»Das Turnier beginnt um zehn Uhr, und wir würden gerne noch etwas frühstücken, wollte Kai dir damit sagen«, übersetzte ich ihr lachend.

»Ach so«, nahm sie meine Erklärung entgegen. »Dann sollten wir um halb neun frühstücken, damit ihr rechtzeitig in der Halle seid.«

»Aber nur, wenn es dir wirklich keine Umstände macht?«, fragte ich noch einmal nach.

»Ach was, ich habe gerne Gäste«, wischte sie meine Frage mit einer Handbewegung beiseite.

»Ich weiß ja nicht, wie es bei euch ausschaut, aber ich müsste so allmählich ins Bett«, gähnte sie einige Zeit später. Ich sah auf die Uhr und war erstaunt, dass es schon nach halb drei war. Auch Kai war überrascht und meinte, wir sollten ebenfalls schnell ins Bett, um für das Turnier fit zu sein.

Am nächsten Morgen stand Anna bereits pfeifend in der Küche, als wir aufstanden. »Beeilt euch, Jungs, das Frühstück ist fast fertig«, trieb sie uns an. So lecker wie es roch, waren wir bereits eine Viertelstunde später am Tisch. Und Anna war wirklich ein Naturtalent. Was sie mit ein paar Kräutern aus einfachem Rührei machen konnte, grenzte schon an Zauberei. Satt und zufrieden griffen wir um halb zehn unsere Taschen und fuhren zur Halle, wo wir uns schnell umzogen. Zur Begrüßungsrede des Präsidenten vom schwulen Delfter Sportverein kamen wir dann auch gerade noch rechtzeitig. Der Rest unseres Teams wartete bereits auf uns, also liefen wir rasch zu ihnen hin.

Zuerst begrüßten wir die anderen Spieler aus meiner Mannschaft. Danach ging ich zum Info-Tresen und holte unseren Spielplan für die erste Runde. »Zeig mal den Spielplan«, forderte Kai mich auf. »Man, wir spielen gegen die Pariser. Erinnerst du dich an das geile Teil, das ich neulich auf dem Turnier in Berlin gesehen habe?«

Ich sah zu ihm rüber: »Kai, wenn ich mir all die geilen Teile merken würde, die du auf irgendeinem Turnier kennen lernst oder schlimmer noch, alle die du anstarrst, wäre in meinem Kopf kein Platz mehr fürs Studium. Und hol bitte einen Lappen, um den Boden zu wischen, dir läuft schon der Sabber aus dem Mund«, lästerte ich. Kai und die Kerle, das war schon legendär. Bei jedem Turnier riss er jemanden auf.

»Arsch!«, kriegte ich als Antwort von ihm zu hören, aber Kai grinste mich dabei an. »Aber sag selbst, sie sind doch echt geil, oder? Schau mal den Hintern von der 5 an«, kam er ins Schwärmen. Ich schaute hin und stellte fest, dass Kai durchaus Geschmack bewies.

»Schaffst du es, gegen die Pariser 100% zu bringen, oder soll ich dich lieber draußen lassen - du weißt schon, wegen Interessenskonflikt?« Übertrieben anteilnehmend zog ich meine Stirn in Falten. Aber Kai fiel nicht darauf rein. »Lass mal, das schaffe ich schon, Trainerin«, blödelte er zurück. Und in der Tat gewannen wir das Spiel gegen die Mannschaft aus Paris. Zwar war es sehr knapp, aber es reichte zum Sieg.

»Ich glaube, ich muss mich bei der Nummer 5 mal entschuldigen, schließlich habe ich gleich zwei seiner Schmetterschläge abgeblockt«, grinste Kai und ging rüber zur Mannschaft aus Paris. Ich habe keine Ahnung, wie er es immer anstellt, aber ich sah Kai und Pariser Nr. 5 kurze Zeit später, wie sie lachend zusammen nach draußen gingen. Hat er es mal wieder geschafft, dachte ich und bedauerte, dass ich noch nie jemanden auf einem Turnier kennen gelernt hatte.

Der Tag ging vielversprechend weiter. Wir gewannen auch das zweite Spiel, verloren das dritte nur knapp, um dann nach der Mittagspause das vierte Spiel wieder zu gewinnen. Erschöpft, aber zufrieden ging ich in die Ecke, wo selbstgebackener Kuchen verkauft wurde. Lecker, Butterkuchen gab es auch. Ich kaufte mir ein Stück und aß es mit Genuss. Michael hat auch gerne Butterkuchen gegessen, fiel es mir ein, und schon war meine gute Laune mit einem Schlag wieder dahin.

Um meiner Mannschaft mit meiner trüben Stimmung nicht auf die Nerven zu gehen, stromerte ich ein wenig durch die Halle und sah den anderen Teams zu, die nicht in unserer Gruppe gespielt hatten. Die da zum Beispiel werden wir am Nachmittag garantiert nicht sehen, dachte ich gehässig, als ich einen Haufen in roten Trikots und schwarzen Hosen beim Einspielen sah. Der Typ dort drüben, die Nr. 6, konnte anscheinend gar nichts. Wo sie den wohl ausgegraben hatten, unsportliche Figur und nahezu vollkommen talentfrei? Wir waren in unserer Gruppe erster geworden und würden daher mit den Siegern der anderen drei Gruppen um die Plätze eins bis vier spielen. So wie das hier aussieht, spielen die sicher um den letzten Platz, dachte ich noch und drehte mich um, da mein Trainerherz bei der rot-schwarzen Stümperei blutete.

Plötzlich fühlte ich einen heftigen Schlag auf mein rechtes Ohr. Ich strauchelte und fiel auf die linke Seite. Benommen blieb ich erst einmal liegen und horchte in mich hinein. Der Kopf schien so weit in Ordnung zu sein, aber mein linker Hüftknochen tat ziemlich weh. Ich erinnerte mich, dass ich meine Trillerpfeife in die linke Hosentasche getan hatte und holte sie gerade aus der Tasche, als ich neben mir eine atemlose Stimme hörte:

»Ach du Scheiße, das wollte ich nicht. Mir ist der Ball beim Baggern zur Seite gesprungen, und dann hat er dich am Kopf getroffen. Tut mir echt Leid, man!«

Ich drehte mich ein wenig um zu sehen, woher diese Stimme kam. Ich sah eine schwarze Hose, darüber ein rotes Trikot mit einer kleinen schwarzen 6 auf der linken Brust. Mir fiel plötzlich die Pfeife ein, die ich in der Hand hielt und sah sie mir genauer an. Meine wunderschöne, chromglänzende und irrsinnig laut trillernde Schiedsrichterpfeife aus Metall war wohl nicht mehr zu gebrauchen. Sie war nicht nur total verbogen, sondern hatte auch ein klaffendes Loch an der einen Seite, wo die Schweißnaht zwischen den einzelnen Teilen gerissen war. Anscheinend war ich voll auf sie drauf gefallen, das passte auch zum Schmerz an meiner Hüfte. Ich probierte sie dennoch aus, aber der Fall war hoffnungslos. Scheiße, was mache ich nachher ohne die Pfeife, schoss es mir durch den Kopf. Und der schmerzende Hüftknochen machte sich in dem Moment mehr als deutlich bemerkbar.

Ich merkte, wie ich langsam richtig wütend wurde und blickte wieder hoch. Nummer 6, war das nicht die Lusche, die ich eben beobachtet hatte? Genau, das war sie.

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