Lovestory IV

»Verdammt!«, fauchte ich in seine Richtung und zeigte ihm die Pfeife. »Schau dir das an. Wie soll ich denn nun schiedsrichtern?«

»Tut mir echt Lei..«, setzte er wieder an, aber ich unterbrach ihn.

»So wie du eben gespielt hast ist es ein Wunder, dass es hier noch keine Toten gibt«, giftete ich ihn an. Ein wenig erstaunt war ich schon, wie eisig ich mich anhörte, aber ich setzte erbarmungslos noch eins drauf: »Das hier ist ein Volleyball-Turnier, hat dir das noch keiner gesagt? Das was du hier machst, hat ja nicht mal im Entferntesten Ähnlichkeit mit Volleyball!«

Nummer 6 stand mit offenem Mund und hochrotem Kopf vor mir und brachte kein Wort heraus.

»Statt blöde vor mir zu stehen und zu gaffen, könntest du mir ruhig hoch helfen«, blaffte ich weiter. Seine Hand zuckte genau in dem Augenblick nach vorne, als ich aufstehen wollte, traf meine Brust und warf mich wieder zu Boden. Und nach den Gesetzen eines gewissen Murphy fiel ich natürlich prompt auf die linke Seite. Ich schrie auf, als meine Hüfte auf den Boden knallte.

»Aua! Man, du bist ja echt ein Volltrottel vor dem Herrn. Hau bloß ab und bleib um Gottes Willen von mir fern, ich will den heutigen Tag noch überleben«, brüllte ich ihn an. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, raffte ich mich auf und ging fort - genauer gesagt, ich humpelte von dannen. Man, tat die Hüfte weh.

Kai kam auf mich zugerannt: »Mensch Peter, was ist denn mit dir passiert?«, rief er mir besorgt entgegen.

»Irgend so ein Blödmann dahinten hat mir nen Ball gegen den Kopf geknallt und ich hab mich dann erst einmal hingelegt«, informierte ich ihn. »Und ich bin voll auf das hier gefallen«, zeigte ich ihm die kaputte Pfeife. »Und die Hüfte tut auch weh«, jammerte ich weiter.

»Lass mal sehen«, brummte er. Kai ist die geborene Krankenschwester (er selbst verwendet allerdings eine andere Bezeichnung für seinen Beruf...). Ich zog also meine Hosen an der linken Seite runter und schaute selber zum ersten Mal auf den Fleck, den die Pfeife beim Hinfallen erzeugt hatte. Kai pfiff leise durch die Zähne: »Davon wirst du länger was haben«, meinte er. »Komm mal mit, ich habe Heparinsalbe dabei. Viel hilft die zwar nicht, aber schaden tut sie auch nicht.« Vorsichtig schmierte er mir die Salbe auf das Hämatom. »Du solltest noch etwas zur Kühlung drauf tun. Hier, nimm das«, ordnete er an und reichte mir ein Kältepack. »Leg aber lieber noch was drunter und pack es nicht direkt...«, fing er an, aber da zuckte ich bereits zusammen. »...auf die Haut, das ist am Anfang arschkalt - aber das hast du ja schon ganz alleine herausgefunden«, lachte er über meine Reaktion. »Und das nächste Spiel solltest du mindestens aussetzen«, ordnete er an. »Hoffentlich hast du keine Gehirnerschütterung. Wenn dir plötzlich schlecht wird, sagst du bitte sofort Bescheid, ja?«

»Ja, Schwester Kai«, brummte ich missmutig zurück. Na toll, erst der Stress wegen Michael, und jetzt war ich zigtausend Kilometer nach Delft gefahren und konnte wegen diesem Blödmann nicht mehr spielen. Die nächsten zwei Spiele sah ich von der Seite zu, wie meine Mannschaft mit Bausch und Bogen unterging. Nein, das war heute wirklich nicht mein Tag, stellte ich frustriert fest.

Kai kam in der Spielpause danach auf mich zu: »Glaub's mir, wir hätten dich alle gerne auf dem Feld gesehen, aber bevor dir wer weiß was passiert... Ich mach mir halt Sorgen um dich«, meinte er fürsorglich.

Ich konnte nur schlucken und leise »Danke!« sagen. Kais Aufmerksamkeit tat mir richtig gut. Wir waren schon lange gute Freunde, und an Tagen wie diesem bin ich aus ganzem Herzen dankbar für diese Freundschaft.

»Was macht dein Kopf?«, fragte er, »Alles in Ordnung, oder ist dir schlecht?«

Ich horchte kurz in mich hinein. »Scheint alles in Ordnung zu sein«, antwortete ich ihm schließlich. »Und die Hüfte tut auch nicht mehr so doll weh.« (seit ich heimlich zwei Paracetamol und zwei Ibuprofen aus seinem Medizinköfferchen geschluckt hatte, aber das behielt ich für mich)

»Dann komm mal wieder aufs Feld, vielleicht schaffen wir ja noch Bronze«, meinte Kai. Und nach einem harten, aber fairen Spiel haben wir dann auch tatsächlich den dritten Platz geschafft. Ich war wieder einigermaßen beruhigt und zufrieden, als wir zu Annas Wohnung fuhren. Meine Laune besserte sich noch einmal merklich, als ich an Annas versprochenen Kochunterricht dachte.

Anna stand auch schon in der Küche, aber sie kam gleich rausgeschossen, als wir die Tür öffneten. »Und, wie wart ihr?«, fragte sie gleich als erstes.

»Dritter Platz!«, antworteten Kai und ich synchron.

»Glückwunsch!«, freute sie sich für uns und umarmte uns beide zur gleichen Zeit. Leider stand ich rechts neben Kai, als Anna uns durch ihre Umarmung aneinander schob. Ich zuckte mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, als Kai gegen meine linke Hüfte prallte.

»Was ist los, Peter?«, fragte Anna mich besorgt.

»Ach, irgend so ein Blödmann hat mir nen Ball gegen den Kopf geknallt, ich bin hingefallen und habe mich mit der Hüfte auf das hier gelegt«, entgegnete ich und zeigte ihr meine verbogene Pfeife.

»Hui, das hat bestimmt ziemlich weh getan, oder?«, wollte sie wissen. »Hat sich der 'Blödmann' wenigstens entschuldigt?«

»Na ja, er hat es versucht, aber - ähm - ich habe ihn irgendwie nicht so richtig gelassen«, stotterte ich.

»Nicht so richtig gelassen? Dein Geschrei hat man quer durch die ganze Halle gehört. 'Bleib von mir fern, ich will den Tag noch überleben.'«, äffte Kai mich nach. Das hätte er wirklich für sich behalten können, dachte ich peinlich berührt.

»Ich hoffe, ihr mögt Spinat?«, hörte ich Anna fragen. Und schon wieder hätte ich sie küssen können. Die Frau schien ein Gespür dafür zu haben, wann ein Themenwechsel angebracht war. »Ich dachte an Putensteak mit Blattspinat und Estragon-Sahnesoße, dazu ein paar Bratkartoffeln. Was haltet ihr davon?«, wollte sie von uns wissen. Wir meinten, das würde sich richtig lecker anhören, und so gingen Anna und ich in die Küche. Kai wollte sich lieber ein wenig hinlegen, also hatte ich Privatunterricht bei Anna. Die Zeit in der Küche verging wie im Flug. Anna brachte mir einige Tricks und Kniffe bei, und zur Krönung machten wir zusammen noch eine Mousse au Chocolat. Kai staunte nicht schlecht, als er an den Esstisch trat.

»Und das trotz deiner 'Hilfe'? Normalerweise kriegst du ja nicht einmal eine Tiefkühlpizza richtig hin«, frotzelte er. Nur weil meine Pizza einmal diesem Witz mit außen verbrannt und innen gefroren entsprach, als ich sie auf seinen Teller packte, musste er mir das doch nicht schon wieder unter die Nase reiben, dachte ich - schließlich würde ich das umgekehrt ja auch nie nicht machen, ehrlich...

»Lass mal, Peter braucht nur ein wenig Übung«, nahm Anna mich in Schutz. »Ich denke, das hier kannst du jetzt auch alleine machen, oder?«, fragte sie in meine Richtung.

»Klar doch, bei so einer Lehrerin!«, schmeichelte ich zurück. Und wurde von ihr dafür auch prompt mit einem »Kleiner Schleimer.« belohnt. Aber ihr Lächeln verriet, dass sie sich über das Kompliment freute.

Pappsatt saßen wir einige Zeit später am Esstisch, als Kai auf die Uhr sah und meinte, so allmählich sollten wir uns für die Party fertig machen.

»Wo müssen wir eigentlich hin, Anna?«, wollte ich wissen.

»Das ist gleich um die Ecke, keine zehn Minuten zu Fuß. Lass dein Auto ruhig hier stehen, die Gegend ist sicher. Da könnt ihr auch spät in der Nacht ohne Bedenken zu Fuß zurück kommen«, teilte sie uns mit.

»Prima, dann kann ich auch mal einen Schluck trinken!«, freute ich mich. »Komm in die Hufe, Kai! Zum Glück wirst du hier ja nicht wie zuhause stundenlang vorm Kleiderschrank stehen und jammern, dass du überhaupt nichts passendes anzuziehen hast, also könnten wir es vielleicht noch vor Mitternacht schaffen«, lästerte ich. Kai lächelte nur matt, denn er wusste, dass ich damit nicht völlig Unrecht hatte.

Um 23:00 Uhr machten wir uns auf den Weg. Die Party fing offiziell bereits um 22:00 Uhr an, wir kamen also nicht zu früh und nicht zu spät. Kai zog mich am Ärmel. »Lass uns dorthin gehen«, schlug er vor und zeigte in die Richtung, wo die Pariser Mannschaft sich versammelt hatte. Zeit zum Antworten ließ er mir nicht, sondern zog mich gleich mit sich. Die Franzosen gratulierten uns herzlich zu unserem dritten Platz, und das, obwohl wir sie gleich in der ersten Runde besiegt hatten. Kai war anschließend voll und ganz mit Nr. 5 beschäftigt, die beiden hatten sich ja schon während des Turniers kaum aus den Augen gelassen.

»Wenn du nicht zwei Spiele ausgesetzt hättest, hättet ihr wohl gewonnen«, meinte einer von den Parisern und stellte sich als Pierre vor. »Du spielst verdammt gut«, lobte er mich.

»Danke, du aber auch«, gab ich zurück. »Ich heiße übrigens Peter«, grinste ich ihn an. Wir waren beide amüsiert, dass wir eigentlich den gleichen Namen hatten. »Und das ist Michel, mein Freund.« Er zog einen weiteren Spieler zu sich und küsste ihn. Zufälle gibt es: Pierre und Michel, Peter und Michael... Michael! Und schon war meine gute Laune erneut am dahinschwinden.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, die Gedanken an Michael aus meinem Hirn zu vertreiben. Na ja, so halbwegs gelang es mir. Pierre und Michel waren zum Glück so mit ihrer Zungenakrobatik beschäftigt, dass sie die dunkle Wolke nicht bemerkten, die plötzlich über mir schwebte. Ich wollte meine gute Laune behalten - schließlich hatte Kai mir auf dem Weg hierher gesteckt, er würde sich freuen, dass ich offensichtlich wieder der Alte wäre und ich mit meinem Charme und meinem blendenden Aussehen bestimmt die Hälfte der anwesenden Männer bezaubern würde. Auch wenn Kai damit natürlich hemmungslos übertrieben hatte, entwickelte sich der Abend bisher ja in der Tat ganz gut. Die Pariser waren nette Kerle und ich genoss die Unterhaltung mit ihnen. Auch meine Augen kamen währenddessen auf ihre Kosten, es liefen etliche attraktive Männer auf der Party herum, und der ein oder andere kleine Flirt tat meinem dank Michael doch recht angeknacksten Ego mehr als gut.

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