Lovestory VI

»Peter ist eigentlich gar nicht so«, sprang Kai mir bei. »Aber letztes Jahr war er wegen der Geschichte mit Michael sowas von neben sich, ich habe ihn manchmal wirklich nicht mehr wiedererkannt.«

»Hmm..«, kam es von Manuel. Ich hatte den Eindruck, er beobachtete mich jetzt genauer als vorher.

»Mir tut es wirklich Leid, wie ich mich diesem Typen gegenüber benommen habe«, sagte ich und trank einen Schluck Wein.

»Hoffentlich hat er sich das nicht allzu sehr zu Herzen genommen. Muss wohl ein netter Kerl sein, nicht jeder würde nach meiner Brüllerei in der Halle noch einmal zum Entschuldigen ankommen. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er eigentlich auch ein recht sympathisches Gesicht«, beendete ich meine Geschichte. Manuel schien in dem Augenblick leicht rot zu werden, aber das mochte bei der gedimmten Beleuchtung und dem Kerzenlicht auch getäuscht haben.

Zu meinem Glück wechselten wir dann das Thema, und kurze Zeit später waren wir erneut am Tratschen über Gott und die Welt, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Unauffällig betrachtete ich Manuel immer wieder. Mir gefiel mehr und mehr, was ich sah. Und er hatte vernünftige Ansichten zu den verschiedensten Themen, war intelligent, charmant und witzig, außerdem absolut natürlich. Um ehrlich zu sein, es schien sich nicht nur ein einzelner kleiner Schmetterling in meinen Bauch verirrt zu haben - so wie es sich anfühlte, hatte er gleich seine gesamte Verwandtschaft mitgebracht. Mal sehen, vielleicht hat dieses Mal ja nicht nur Kai Glück bei den Männern, träumte ich vor mich hin, als Lisa plötzlich herzhaft gähnte und auf ihre Uhr sah.

»Manuel, es ist fast zwei Uhr. Wollen wir so allmählich zurück?«, fragte sie ihn. »Gute Idee, Lisa«, antwortete Manuel. »Gute Nacht, schlaft gut, ihr drei«, verabschiedete er sich in die Runde. »Wir sehen uns morgen in der Halle«, meinte er zu Kai und mir. »Tschüß!«, reichte er Kai die Hand und sah ihn dabei freundlich an. Danach reichte er mir die Hand und sagte ebenfalls »Tschüß!«. Allerdings schaute er mich anders an als Kai. Schaute er fragend? Misstrauisch? Ich hatte keine Ahnung, und es war auch schon zu spät, um darüber noch nachzudenken. Kai und ich wünschten Anna kurz darauf eine gute Nacht und gingen dann ebenfalls schlafen.

Am nächsten Morgen kamen wir wie schon im Jahr zuvor gerade noch rechtzeitig zur Eröffnungsrede in die Halle. Anna hatte uns auch dieses Mal wieder mit einem phantastischen Frühstück verwöhnt, von dem wir einfach nicht aufstehen wollten. In einiger Entfernung sah ich Manuel sitzen und winkte ihm zu. Er nickte freundlich zurück. Nach der Eröffnungsrede holte ich unseren Spielplan ab. In der ersten Runde spielten wir nur gegen Mannschaften, die wir noch nicht kannten. Aber eigentlich war es nicht wirklich wichtig, gegen wen wir spielen würden. Hauptsache war schließlich, dass wir Spaß hatten. Und auch wenn wir das erste Spiel knapp verloren, so hat es uns allen dennoch viel Spaß gemacht. Aufgekratzt saß ich mit Kai zusammen, als Manuel auf uns zukam.

»Hallo ihr beiden!«, begrüßte er uns. Dann drehte er sich zu Kai und fragte ihn: »Sag mal, kommst du vielleicht ein wenig mit mir spazieren?« Na prima, dieses Jahr war es also noch einfacher für Kai als letztes Jahr, jetzt rannten ihm die Männer schon hinterher, grummelte ich in mich hinein. Und ausgerechnet Manuel! Ich fühlte einen leichten Stich in der Herzgegend.

»Gerne! Wir haben jetzt eh eine Pause von zwei Spielen«, antwortete Kai, sprang auf und folgte Manuel nach draußen. Verdammt! Warum auch immer, aber es tat mir weh, dass Manuel mit Kai abzog und nicht mit mir. Trübsinnig suchte ich mir eine ruhige Ecke, legte mich hin und starrte gegen die Decke. Ich stellte fest, dass es wohl doch so etwas wie Liebe auf den ersten Blick zu geben schien und ich mich gestern Abend ganz offensichtlich in Manuel verliebt hatte. Und der war jetzt mit Kai weg statt mit mir. Ich spürte, dass sich Eifersucht in mir breit machte. So lag ich also die nächste halbe Stunde in meiner Ecke und sinnierte über die Ungerechtigkeiten des Lebens im Allgemeinen und mir gegenüber im Besonderen.

Irgendwann wurde es dann endlich Zeit, sich für das nächste Spiel warm zu machen. Ich richtete mich auf und sah trübsinnig durch die Halle. Und was meine umherschweifenden Augen dann in einiger Entfernung entdeckten, brachte das Fass mit meiner Eifersucht zum Überlaufen: Kai und Manuel kamen herein, sie lachten gemeinsam. Manuel strahlte Kai an, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich konnte nichts weiter erkennen, plötzlich war alles um ich herum verschwommen. Verdammt, das waren doch nicht etwa Tränen in meinen Augen?

Es durchfuhr mich wie ein Blitz: Ich war total eifersüchtig auf Kai! Und ich merkte, dass ich mich gestern Abend mehr in Manuel verliebt hatte, als es mir gut tat. Hoffentlich würde ich dieses Wochenende überstehen, dachte ich, als ich nach ein paar Minuten zurück zum Spielfeld ging.

Kai grinste mich die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd an, aber ich konnte es nicht ertragen und versuchte, ihn nicht zu beachten. Ich merkte, dass ich unkonzentriert spielte und wechselte mich mitten im Satz aus. Zum Glück waren wir mit acht Mann angereist, da war das kein Problem. Kai schaute mich besorgt an: »Was hast du?«, wollte er wissen.

»Kopfschmerzen«, log ich ihn an. Schwester Kai holte natürlich sofort ihr Medizinköfferchen und gab mir eine Paracetamol. »Hoffentlich wird es schnell wieder besser«, meinte er mitfühlend und setzte mit einem frechen Grinsen hinzu: »Falls irgendein attraktiver Mann was von dir will, solltest du besser nicht mit diesem Gesicht rumlaufen.« Danke Kai, dachte ich betrübt, aber der, den ich will, will offensichtlich dich. »Ich geh ein wenig frische Luft schnappen, dann wird es bestimmt wieder besser«, meinte ich nur und verließ meine Mannschaft.

Draußen vor der Halle atmete ich erst einmal tief durch. Kai ist mein bester Freund, ich sollte mich zusammenreißen und ihm gönnen, dass er Erfolg bei Manuel hat, ging es mir durch den Kopf. Auf der anderen Seite wusste ich, dass Kai so ziemlich jeden haben konnte, den er wollte. Warum ausgerechnet Manuel und nicht Pariser Nr. 5 mit dem knackigen Hintern - wie hieß er noch mal, überlegte ich... Francois, richtig. Schließlich war Francois in diesem Jahr auch wieder dabei. Könnte Kai nicht einfach Francois nehmen und mir dafür Manuel lassen?

Ich seufzte tief und beschloss, ein wenig durch Delft spazieren zu gehen. Ziellos schlenderte ich über eine Stunde lang durch die Straßen, bis ich mich entschloss, wieder zur Halle zurückzukehren.

Drinnen in der Halle sah ich, wie Manuel bei Kai stand und merkte, dass meine nicht vorhandenen Kopfschmerzen wiederkehrten. Ich verzog mich erst einmal in eine abgelegene Ecke und fing an, mich wieder aufzuwärmen. Ich war mitten in einer Dehnübung, als mich plötzlich jemand ansprach:

»Und, geht es dir wieder besser?«

Manuel stand plötzlich vor mir und schaute mich besorgt an. Man, der hatte mir gerade noch gefehlt!

»Geht so«, brummte ich genervt und fuhr mit meiner Dehnübung fort.

»Kai meinte, du hättest ein wenig frische Luft geschnappt. Falls du noch ein wenig mehr frische Luft verträgst, würde ich gerne draußen ein Stück mit dir gehen«, bot er mir an. Ruckartig drehte ich mich zu ihm hin und schaute ihn überrascht an. Diese Einladung kam für mich absolut unerwartet.

»Du warst vorhin ziemlich lange unterwegs, die Mittagspause hat jetzt gerade angefangen«, legte er nach, »Wir haben also fast eine Stunde bis zum nächsten Spiel. Kommst du?«, wollte er wissen und setzte so eine Art Dackelblick auf. Irgendetwas rastete bei mir in diesem Augenblick aus.

»Und was ist mit Kai?«, fragte ich ihn mit kühler Stimme.

»Wieso, was soll denn mit Kai sein?«, fragte Manuel irritiert zurück.

»Ich hab doch gesehen, wie du ihn nach eurem Spaziergang abgeknutscht hast. Und jetzt bin anscheinend ich an der Reihe, erst spazieren gehen, dann knutschen? Vergiss es! Als Pokal in der Trophäensammlung von irgendeinem Schönling bin ich mir zu schade. Such dir nen anderen für deine Sammlung!«, zickte ich ihn an.

Manuel sah mich enttäuscht an. »Ich dachte, du hättest dich geändert,«, meinte er leise, »aber da habe ich mich offensichtlich geirrt.« Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand. Scheiße, dachte ich verärgert, was bildet der sich eigentlich ein? Will er uns hier der Reihe nach durchtesten? Das musste ich nun wirklich nicht haben.

Ich konnte sehen, wie Manuel zu Kai zurück ging und mit ihm redete. Also wartete ich noch eine Weile, Manuels verlogenes Gesäusel wollte ich wirklich nicht hören. Und was mussten meine Augen sehen: Kai umarmte ihn, und das nicht nur kurz, sondern ziemlich lange. Offensichtlich konnte Manuel richtig gut säuseln. Ich überlegte, ob ich Kai informieren sollte, dass Manuel mich ebenfalls angegraben hatte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Ich kannte Kai gut genug um zu wissen, dass er nicht auf der Suche nach etwas Festem war, sondern einfach nur Spaß haben wollte. Nee, ich würde meine Klappe halten, beschloss ich und setzte meine Dehnübungen fort.

Während des Nachmittags riss ich mich halbwegs zusammen und versuchte, die Gedanken an Manuel zu verdrängen. Das gelang mir aber nur mittelprächtig, und ich spielte so unkonzentriert, dass wir die ersten zwei Spiele verloren. Dass Kai mich gelegentlich traurig von der Seite anblickte, verwirrte mich zusätzlich, und so beschloss ich, dass heute halt nicht mein Tag wäre und die Mannschaft ohne mich besser dran wäre. Das hatte dann aber auch nicht mehr viel geholfen. Mein Team verlor auch ohne mich, wenn auch nicht mehr ganz so hoch.

Schweigend fuhren Kai und ich nach dem Spieltag zu Annas Wohnung zurück. Bei Anna angekommen, schaute Kai mich noch einmal traurig an, schüttelte seinen Kopf und meinte: »Ich würde nur zu gerne wissen, was mit dir los ist.«

Irritiert schaute ich ihn an: »Kopfschmerzen, das weißt du doch«, setzte ich meine kleine Lüge vom Vormittag fort.

»Na ja, wenn das alles man alles ist..«, zweifelte Kai meine Erklärung an. »Na ja, dann ist es dir sicher Recht, heute Nacht das Bett für dich alleine zu haben, ich habe ein Date!«, sagte er und strahlte mich glücklich an. Ich hatte nach dem, was ich in der Halle beobachten musste, auch nichts anderes erwartet. Und ich konnte mir daher auch schon denken, mit wem er die Nacht verbringen wollte. Die Zeichen tagsüber waren ja mehr als deutlich. Ich versuchte ein anzügliches Grinsen, aber statt anzüglich sah es vermutlich eher gequält aus.

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